Pilotprojekte von Island bis Spanien zeigen: Die 4-Tage-Woche funktioniert. Und auch in Deutschland wünscht sich die Mehrheit der Beschäftigten, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Wenn die Gewerkschaften Druck machen, kann dieser Wunsch Wirklichkeit werden.
Viele Menschen wünschen sich mehr Zeit mit ihrer Familie, mit Freundinnen und Freunden oder auch einfach nur für sich. Mehr Zeit, persönlichen Interessen und Projekten nachzugehen, sich um ihre Gesundheit zu kümmern, das Leben zu genießen. Diese Wünsche stoßen in der Regel an die Grenze der Arbeitswoche. Doch die Länge der Wochenarbeitszeit steht nicht in Stein gemeißelt, sondern ist seit jeher eine Verteilungs- und Machtfrage. Mit der aktuellen Diskussion über die 4-Tage-Woche geht der historische Kampf um die Arbeitszeit in eine neue Etappe. Und erste Versuche zeigen: Die 4-Tage-Woche bietet viel mehr als einfach nur mehr Freizeit.
Im vergangenen Jahrzehnt standen vor allem stärker selbstbestimmte Arbeitszeiten auf der Agenda der Gewerkschaften. Indem sie ihre Mitglieder mobilisierten und harte Tarifrunden ausfochten, erreichten sie neue Regelungen mit individuellen Wahloptionen zwischen Zeit und Geld. Diese erleichtern nun die Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen und reduzieren die Belastung für Schichtbeschäftigte.
Obgleich auch diese Auseinandersetzungen gesellschaftspolitische Dimensionen beinhalteten, wird die 4-Tage-Woche in ungleich höherem Maße bereits im Vorfeld von Tarifforderungen öffentlichkeitswirksam und politisch kontrovers diskutiert. Das mag auch daran liegen, dass Pilotprojekte und erste Reformschritte im Ausland deutlich machen: Die Frage stellt sich nicht rein theoretisch oder in unbestimmter Zukunft, sondern ganz konkret im Hier und Jetzt. Wie Umfragen zeigen, sind auch die Beschäftigten längst bereit für die 4-Tage-Woche.
Der Stand der Debatte
Ob die IG Metall mit einer Forderung nach einer 4-Tage-Woche in die diesjährige Tarifrunde der Stahlindustrie gehen wird, entscheiden die Mitglieder der Tarifkommission der nordwestdeutschen Stahlindustrie im Herbst. Dass die Debatte darüber seit einigen Monaten im Stahlbereich intensiv geführt wird, ist kein Zufall. Für eine Arbeitszeitverkürzung und eine 4-Tage-Woche gibt es in der Eisen- und Stahlindustrie gute Anknüpfungspunkte durch bereits vorhandene Tarifregelungen, die den Beschäftigten ermöglichen, weniger als 35 Stunden in der Woche zu arbeiten.