Die anarchistische Organisation Rouvíkonas wurde im Herbst 2013 von Menschen gegründet, die im besetzten sozialen Zentrum K*BOX im zentral gelegenen Athener Stadtteil Exárchia und in anderen Gruppen, Initiativen und Kollektiven aktiv waren. Bis heute hat Rouvíkonas die Verantwortung für Hunderte von Aktionen übernommen. Seit 2018 gibt es einen studentischen Sektor und seit 2019 einen feministischen Sektor der Organisation.
Direkte Aktion: In letzter Zeit lesen wir öfter von geschlechtsspezifischer Gewalt in Griechenland. Über Belästigungen und Vergewaltigungen von Frauen oder, immer häufiger, über unmenschliche Gewalt und Femizide durch ehemalige und aktuelle Partner. Ist dies eurer Meinung nach eine Folge der intensiven kapitalistischen Krise oder hat es diese Gewalt gegen Frauen schon immer gegeben und sie wird nun endlich öffentlich, weil die Frauen und ein Teil der Gesellschaft darauf reagieren und sich wehren?
Feministischer Sektor: Verbrechen gegen Frauen hat es immer gegeben. Der Hass auf das weibliche Geschlecht wurde in der Gesellschaft immer kultiviert, also dass die Frau Eigentum des Mannes sei, sie von Natur aus irgendwie fehlerhaft sei, sie Bestrafung und Führung brauche, allein deshalb, weil sie atmet und lebt. Ideen, die teilweise von den Frauen selbst und ihrer gesellschaftlich zugewiesenen Rolle kultiviert und aufrechterhalten werden.
Der entscheidende Unterschied besteht inzwischen darin, dass ein Menschenleben heute mehr wert ist. Noch vor einigen Jahrzehnten, bevor die gesellschaftliche Basis begann einen besseren Lebensstandard einzufordern, hatte der Wert des Lebens in der öffentlichen Meinung kein allzu großes Gewicht, vor allem nicht für die unteren sozialen Schichten. In Verbindung mit der Tatsache, dass eine Frau aufgrund ihrer historischen und aktuellen Kämpfe heute wirtschaftlich unabhängig sein kann, selbst über sich entscheiden kann und gesellschaftliche Normen und Formen der Unterdrückung, denen sie unterworfen ist, in Frage stellen kann, finden Frauen auch die Kraft über die Gewalt zu sprechen, der sie ausgesetzt sind.
Gleichzeitig werden diese Stimmen von der Gesellschaft selbst weniger unterdrückt und ein Täter wird nicht mehr in jedem Fall gesellschaftlich gedeckt. Dies ist natürlich eine Errungenschaft, die es zu verteidigen gilt, denn es gibt viele, die eine Rückkehr zu gesellschaftlicher Friedhofsruhe anstreben.
DA: Welche Initiativen habt ihr als feministischer Sektor von Rouvíkonas ergriffen, um gegen geschlechtsspezifische Gewalt und die Mitschuld des Staates vorzugehen?
FS: Der feministische Sektor verfolgt ähnliche Aktionsformen wie die Gesamtorganisation. Ein Großteil der Aktionen zielt darauf ab, die Mitschuld und den wahren Charakter des Staates und der Täter ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Der Druck der öffentlichen Meinung und auch die Politik lassen den Tätern weniger Spielraum völlig unkontrolliert zu agieren und alles zu vertuschten.
Die Arbeit des feministischen Sektors beginnt und endet natürlich nicht bei Aktionen im öffentlichen Rahmen; so hat unsere Organisation oftmals Frauen/Weiblichkeiten unterstützt, die Misstände anprangern oder Forderungen stellen wollen oder einfach nur ein vertrauensvolles Umfeld brauchen um zu reden.