Fragen und Antworten zu Verschwörungstheorien

0. Warum noch einen Text über Verschwörungstheorien?

Zu wenig Kritik an Verschwörungstheorien gibt es nicht, aber zu wenig Richtige. Menschen, die diesen Welterklärungsmodellen anhängen seien „zu doof“, sie glaubten an „einfache Erklärungen“ oder es seien Menschen mit psychischen Problemen. Warum also diesen Kritiken noch eine weitere hinzufügen? Wir denken, die gängigen Kritiken an Verschwörungstheorien verharmlosen diese, weil sie sie falsch erklären.

Zwar mögen Verschwörungstheorien zunächst einmal einfach wirken, weil sie nach einem bestimmten Prinzip aufgebaut sind: Was passiert, passiert, weil das jemand geplant hat. Von diesem Plan weiß mensch nichts, weil er geheim ist. Er ist geheim, weil damit etwas Schlechtes beabsichtigt ist. Nur: Inhaltlich sind diese Theorien z.T. aber hochkomplex, weil sie lauter widersprüchliche Beobachtungen mit ihrer Weltsicht versöhnen müssen. Und Verschwörungstheoretiker*innen machen sich ihre eigenen Gedanken über Volk, Nation, „Fremde“, Gerechtigkeit, Freiheit, usw.

Wir behaupten darum: „Einfach“ ist an Verschwörungstheorien gar nichts. In einer Gesellschaft in der ein ständiges Hauen und Stechen um Erfolg stattfindet, ist die Vorstellung von einer „an sich“ guten Gesellschaft, die von „Globalisten“, „Echsen“ oder ähnliches vergiftet werde – vieles. Nur nicht einfach.

In diesem Text nehmen wir uns einerseits vor, das Bedürfnis und die Gründe für die Vielzahl an Verschwörungstheorien aufzudecken. Dabei wird sich zeigen, dass und wie Verschwörungstheorien etwas mit dem üblichen Denken zu tun haben.

1. Was sind Verschwörungstheorien? Sind es überhaupt Theorien?

Wikipedia definiert das so: „Als Verschwörungstheorie wird im weitesten Sinne der Versuch bezeichnet, einen Zustand, ein Ereignis oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären, also durch das zielgerichtete, konspirative Wirken einer meist kleinen Gruppe von Akteuren zu einem oftmals illegalen oder illegitimen Zweck.“1 Das ist erst mal richtig, würde so aber auch auf Verschwörungshypothesen zutreffen. Verschwörungshypothesen sind nachvollziehbare Annahmen aufgrund von Indizien, dass es eine Verschwörung gegeben hat, also geheime illegale Absprachen, illegales Vorgehen von Sicherheitsbehörden, politische Intrigen usw., wie zum Beispiel in der Watergate-Affäre, beim Ausspähen der SPD durch den Bundesnachrichtendienst in den 1950er und 1960er Jahren, den Staatsstreichplänen der Loge P2 in Italien usw.

Häufig wird behauptet, so absurden Konstrukten wie Verschwörungstheorien dürfe der Ehrentitel „Theorie“ nicht zuerkannt werden, sondern es wäre besser von Verschwörungsglauben oder Verschwörungsideologien zu sprechen. Selbstverständlich glauben die Menschen an Verschwörungstheorien und Ideologien sind es auch. Aus folgenden Gründen nennen wir sie aber dennoch Theorien: Zumindest im Alltagssprachgebrauch tragen viele Behauptungen und Vorstellungen ganz unangefochten den Titel Theorie. Sie sind aber ähnlich absurd wie Verschwörungstheorien – die Trickle-down-Theorie, nach der auch die Armen wohlhabender werden, wenn die Reichen immer reicher werden, ist jedenfalls nicht weniger absurd und genauso empirisch widerlegt, wie die Theorie, die Erde sei eine Scheibe.

2. Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien?

Die banale Antwort ist, weil sie daran glauben wollen. Das ist natürlich unbefriedigend. Woher kommt der Wille zum Glauben? Auch darauf kann es keine Antwort geben, die wirklich für alle Fälle zutreffend ist. Oftmals ist die Suche von einem großen Erstaunen begleitet: wie kommen denn Leute auf so etwas? Da müssen, so die Vermutung, irgendwelche Dinge eine Rolle spielen, die zu so einem abwegigen Denken führen. Das erstaunte Suchen nach Ursachen für verschwörungstheoretisches Denken ist erstmal selber ganz schön erstaunlich: Hat dieses Denken mit dem Rest der Vorstellungen in dieser Gesellschaft wirklich nichts zu tun? Gibt es da keine Ähnlichkeiten zum ganz normalen Alltagsverstand? Wir meinen schon, dass es da eine Reihe von Ähnlichkeiten, Gemeinsamkeiten und Ansatzpunkten gibt. (s. Frage 4). Darum finden wir es schräg, wenn Leute sich mit Verschwörungstheorien beschäftigen, ohne sich mit ihren Inhalten beschäftigen zu wollen, sondern in erster Linie nach äußeren Faktoren (z.B. Bildungsgrad) suchen, die dieses „völlig verrückte“ Denken hervorbringen sollen.

Aber hat menschliches Denken und Fühlen wirklich „Ursachen“, die es determinieren (und damit klar vorhersagbar machen)? Sehr zweifelhaft, um nicht zu sagen: Falsch! Weder Wirtschaftskrisen, Pandemien, soziale Lage oder Abstiegsängste, noch irgendetwas anderes sind in dem Sinne „Erklärungen“ für Verschwörungstheorien, als dass irgendwer gezwungen wäre, daraus den Schluss zu ziehen, dass es eine große Verschwörung gäbe. (Das aber wäre so, wenn es eine Ursache wäre!) Wenn das Leute massenhaft tun, ist das zwar offensichtlich mehr als individuelles Abdrehen. Das heißt aber nicht, dass sie so denken müssten. Sondern sie wollen das wohl so tun. Es ist auch offensichtlich, dass das nichts mit bloßer Un- oder Halbbildung zu tun hat (sonst gäbe es ja wohl keine studierten Verschwörungsgläubigen). Wer verstehen will, warum Leute Verschwörungstheorien plausibel finden und glauben wollen, muss zeigen, was an ihnen attraktiv ist, wo sie an übliche Denkweisen anknüpfen und wo sie auch bestimmten Interessen und Unzufriedenheiten entgegenkommen. Stellen wir die Frage also noch mal etwas anders:

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