Eine Gruppe von neun Polen heuert bei einem Subunternehmer des Paketzustellers GLS an. Die Kurierfahrer arbeiten bis zu 16 Stunden am Tag. Trotz schriftlicher Arbeitsverträge werden sie nicht zur Sozialversicherung angemeldet, Lohnbestandteile werden nicht ausbezahlt, eine Lohnabrechnung erhalten sie auch nicht. Als sie sich beim Arbeitgeber beschweren, verweigert dieser ihnen den Zugang zu der von ihm zur Verfügung gestellten Wohnung. Die Kurierfahrer waren zeitweilig gezwungen, die Transporter in Beschlag zu nehmen, um darin zu wohnen, weil ihnen das Geld sowohl für eine Unterkunft als auch für eine Rückreise nach Polen fehlte.

Es sind Geschichten wie diese, weshalb die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Bundesregierung zum Handeln aufruft. »Es ist nicht hinnehmbar, wenn die tägliche Paketzustellung in unserem Land teilweise mit ausbeuterischen und gesetzeswidrigen Arbeitsbedingungen sichergestellt wird«, sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis am Dienstag in Berlin. »Wir brauchen ein Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmer*innenrechten in der Paketbranche.«

Dabei boomt der Bereich seit Corona, weil immer mehr im Internet bestellt wird. Allein 2020 stieg das Sendungsvolumen gegenüber dem Vorjahr um 10,9 Prozent auf 4,05 Milliarden transportierte und ausgelieferte Sendungen. Setzt sich der Trend fort, werden es bis 2025 5,7 Milliarden Euro sein. Besonders in der letzten Woche vor Weihnachten brummt das Geschäft. 2021 wurden damals bis zu 22 Millionen Sendungen täglich ausgeliefert.

Für die Beschäftigten der Paketbranche bedeutet das, dass der Druck stetig zunimmt. Bis zu 300 Sendungen müssen die Zusteller laut Verdi an einem Tag ausliefern. Teilweise sind es schwere Pakete bis zu 70 Kilogramm, die nicht besonders gekennzeichnet sind, und häufig fehlt die entsprechende Ausrüstung wie eine Sackkarre.

Neben einer Gewichtsbegrenzung von 20 Kilogramm für Paketsendungen sowie eine Kennzeichnungspflicht von schweren Paketen fordert Verdi deshalb vor allem auch ein Verbot von Subunternehmen Kurrier-, Express-, Paket-Branche (KEP), ähnlich wie es seit Anfang 2021 in der Fleischbranche ein Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal gibt.

Zu dem Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie kam es, nachdem sich am Anfang der Corona-Pandemie industrielle Fleischbetriebe zu Hotspots entwickelten und die prekären Arbeits- sowie Lebensbedingungen der dort Beschäftigten öffentlich wurden. »Wir räumen in der Fleischindustrie auf und sorgen für gute Arbeitsbedingungen«, versprach damals Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Doch offenbar sind die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche nicht minder dramatisch. Schuld daran ist laut Verdi das Subunternehmertum. »Fast alle großen Paketdienstleister setzen auf Subunternehmer, um sich der Verantwortung für die Arbeitsbedingungen auf der besonders kostenintensiven letzten Meile zu entledigen«, erklärt Kocsis. So arbeiten laut Verdi knapp 300 000 Beschäftigte in der KEP-Branche. Rund 90 000 sind davon Zusteller, etwas über die Hälfte arbeitet bei Subunternehmern. Amazon zum Beispiel beschäftigt alle seine 10 000 Zusteller über Subunternehmen, ebenso Hermes und GLS, die 12 000 beziehungsweise 6000 Zusteller haben. Lediglich die DHL kommt praktisch ohne Subunternehmer aus.

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